Schlafmagazin
Luzide Träume: Was, wie und warum?
4. Dezember 2018
Leonardo DiCaprio sitzt mit Ellen Page in einem Café. Die beiden unterhalten sich über Träume. „Wie bist du hier her gekommen?“ fragt DiCaprio. „Wo bist du grade?“ Page sieht sich um. „Wir träumen?“ Ihre Kaffeetasse beginnt zu wackeln. Kurz darauf fliegen am Zeitungsstand alle Zeitungen in die Luft. Der Tisch fliegt hoch, ihre Umgebung explodiert. Christopher Nolan’s Inception erzählt eine Welt, in der Menschen sich in selbst designten Traumwelten verlieren. Auch fernab der Blockbuster-Welt gibt es so etwas wie Traumsteuerung. Was luzides Träumen eigentlich ist und wie man es erlernen kann erfahrt ihr bei uns.
- Luzide Träume - was ist das eigentlich?
- Träum weiter! Vorbereitung auf luzide Träume
- Die Nacht der Nächte
- Weitere Tipps
- Fragen und Fakten zu luziden Träumen
Luzide Träume - was ist das eigentlich?
Luzide Träume werden auch Klarträume genannt und beschreiben die Klarheit des/ der Träumenden über seinen/ihren Zustand. Das bedeutet, dass du dir im Schlaf darüber bewusst wird, dass du schläfst und sich alles Erlebte fernab von der Realität abspielt. Dieses Bewusstsein gibt dir die Möglichkeit, deineTräume zu beeinflussen, zu formen, lenken und steuern. Du begibst dich sozusagen in ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Land, in dem du fliegen, unter Wasser atmen, mit Toten sprechen kannst. Oder dich mit dem Lieblingspopstar für ein romantisches Date verabredest.
Herkunft des Begriffs
Der Begriff „Lucid Dream“ geht auf Frederik Willems van Eeden zurück, ein niederländischer Psychiater und Dichter. „Lucid“ kommt von dem lateinischen Wort für Licht. Paul Tholey gab diesem Phänomen schließlich den Namen Klartraum. Laut Tholey müssen folgende Bedingungen erfüllt sein, damit man sich tatsächlich in einem luziden Traum befindet: Der/ die Träumende muss sich absolut klar über seinen Zustand sein und seine Wahrnehmung steuern. Der Sinn des Traumes muss verständlich sein und die Erinnerung an den Traum aktiv verstärkt werden. Außerdem ist es essentiell, den Zustand absoluter Klarheit als Gegensatz zum generellen, verwirrten Traumzustand zu erkennen.
Luzide Träume als wissenschaftliche Methode
Ganz abgesehen von den offensichtlich reizvollen Auswirkungen auf den/die Träumende/n, bringt das Feld der luziden Träume auch Vorteile für die Wissenschaft mit sich. Ein Klartraum erlaubt einen sonst unerreichten Zugang und eine direkte Interaktion mit dem Unterbewusstsein. Der/die Träumende erlangt eine neue Bewusstseinsstufe. Laut einigen Forschungen ist es außerdem durchaus möglich, Fähigkeiten im Traumzustand nicht nur auszuüben, sondern auch zu erlernen. Der Spruch: „Das gelingt mir ja im Schlaf“ bekommt dadurch eine ganz neue Bedeutung. Bewusste Träumer/innen können ihre Fremdsprachenkenntnisse fördern oder Fachwissen verinnerlichen.
Wissenschaftler/innen können und konnten mithilfe von luziden Träumen neue Erkenntnisse über das menschliche Bewusstsein und das menschliche Gehirn erlangen. Dies führt wiederrum zu neuen Behandlungsansätzen in Bezug auf Menschen mit Albträumen oder Psychosen. Wer unter schlimmen Träumen leidet, hat oftmals Angst vor dem Schlafengehen. Eine intensive Auseinandersetzung mit den persönlichen Ängsten lässt einen den Auslöser für Albträume besser verstehen. Durch bewusstes Träumen kann der/ die Betroffene dann im Traum anders auf die erschreckenden Bilder reagieren, oder sie sogar abwenden. Auch depressive Patienten können durch die Praktik des Klarträumens wieder mehr Kontrolle über ihr Bewusstsein erlangen.
Risiken von luziden Träumen
Doch welche Risiken birgt eine solche Auseinandersetzung mit dem Unterbewusstsein eigentlich? In Inception verliert sich die Frau des Hauptdarstellers in ihren Träumen und weiß die Realität schließlich nicht mehr von ihnen zu entscheiden. Luzide Träume werden jedoch als generell ungefährlich eingestuft und sollen keine negativen Auswirkungen auf die Schlafqualität haben. Bisher sind noch keine Fälle bekannt, in denen eine Person langfristige Schäden vom Klarträumen getragen hat. Dennoch kann es dazu kommen, dass die Praktik zu einer weniger schönen Erfahrung wird. Verlierst du im Traum die Kontrolle, fühlen sich nämlich auch die negativen Erlebnisse real an. Du siehst dich im Zweifel also direkt mit deinen Ängsten konfrontiert. Zu solchen Kontrollverlusten kommt es aber wohl eher selten. Dennoch solltest du nicht versuchen, dich leichtfertig und unvorbereitet in einen Klartraum zu stürzen.

Träum weiter! Vorbereitung auf luzide Träume
Um sich in luzide Träume zu versetzen gibt es verschiedene Techniken. Wichtig ist zunächst einmal, sich mit unserem Schlaf und Träumen generell zu beschäftigen. Wann, wie und warum träumen wir eigentlich?
So träumen wir
Träumen ist eine Form des subjektiven Erlebens während des Schlafs. Dabei vermischen sich oft Gefühle, Bilder und bestimmte Szenen zu neuen, häufig bizarren Geschichten oder Eindrücken. Während des Schlafens ist der Motorkotex, das Areal, das für Bewegung zuständig ist, aktiv blockiert. Dafür arbeitet unser limbisches System stärker; unsere Emotionen und Gefühle bekommen mehr Gewicht. Der präfrontale Cortex, der unser planerisches, rationales Denken kontrolliert, ist beim Träumen weniger aktiv, als im Wachzustand. Träumen ist in erster Linie eine Form der Verarbeitung unserer Erlebnisse und Gefühle. Dabei können verdeckte Triebe, Gedanken oder Zusammenhänge zum Vorschein kommen.
So schlafen wir
Unser Schlaf lässt sich in fünf Schlafphasen unterteilen, die sich wie in einem Zyklus mehrfach wiederholen. Man unterscheidet zwischen Einschlafphase, Leichter Schlaf, Übergang Tiefschlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf. Der REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement) beschreibt die Phase, in der wir am meisten und am bewusstesten träumen. Die fünf aufeinanderfolgenden Schlafphasen dauern ca. 60-90 Minuten an und wiederholen sich anschließend. Im Laufe der Nacht werden die Tiefschlafphasen kürzer und die REM-Phasen länger. Diese Tatsache kannst du dir bei luziden Träumen zum Vorteil machen.
Zur Vorbereitung auf ein luzides Traumerlebnis ist es extrem wichtig sich mit dem Phänomen des Klarträumens intensiv und wiederholt zu beschäftigen. Es hilft, sich grundlegend zu informieren und die Möglichkeit des bewussten Träumens zu akzeptieren und zu verinnerlichen. Ein weiteres wichtiges Element ist die Erinnerung an Träume. In der Zeit, bevor du dich an ein Klartraum-Erlebnis heran wagst, empfiehlt es sich ein Traumtagebuch zu führen. So trainierst du die Fähigkeit, dich deiner Träume zu erinnern.
Reality Checks
Erinnerst du dich noch an den Kreisel von Leonardo Di Caprios Filmcharakter Dominick Cobb aus Inception? Um zu testen, ob er grade träumt oder nicht, dreht Dominick einen Kreisel. Hört der Kreisel auch nach einiger Zeit nicht auf sich zu drehen, weiß er, dass er sich in einem Traumzustand befindet. Cooles Gadget, das zur Spannung und zum Verständnis der filmischen Geschichte beiträgt? Sicherlich. Doch tatsächlich ist die Idee hinter Cobbs Kreisel essentiell für die Praktik des luziden Träumens.
Möchtest du deinen Traum als solchen erkennen, musst du in der Lage sein, ihn von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Das funktioniert am einfachsten über sogenannte „Reality Checks“. Vergewissere dich zum Beispiel, ob du fünf Finger an der Hand hast, oder verschließe deinen Mund und deine Nase, um zu schauen, ob du trotzdem atmen kannst. Auch der Spruch „Kneif mich, ich glaub ich träume“, kommt nicht von ungefähr. Besonders effektiv sind auch objektgebundene Realitätschecks. Dabei werden Objekte – wie zum Beispiel der Kreisel in Inception – zu Traumindikatoren.

Die Nacht der Nächte
Kommen wir nun zur direkten Vorbereitung des luziden Traums. Es gibt verschiedene Tipps und Tricks, die einen bewussten Traumzustand hervorrufen können sollen. Eine verbreitete Methode, um die Chancen auf einen Klartraum zu erhöhen, ist die WBTB-Methode, die „Wake-back-to-bed-Methode“. Dabei stellst du dir vor dem Schlafen gehen einen Wecker, der nach 4-7 Stunden klingelt. Mit den Stundenanzahlen musst du wahrscheinlich zunächst einige Male experimentieren, bis du deine individuelle, optimale Schlafenszeit herausfindest. Wichtig ist, dass du dich beim Klingeln des Weckers weder besonders wach, noch besonders müde fühlst.
Nach dem Klingeln des Weckers bleibst du für etwa 5-50 Minuten wach. In dieser Zeit solltest du keine schweren Aktivitäten ausgeführen und keine alkoholischen oder koffeinhaltigen Getränke konsumieren. Es empfiehlt sich, sich in der Wachphase noch einmal intensiv mit luziden Träumen zu beschäftigen –zum Beispiel, indem man etwas dazu liest. Du kannst dir auch konkrete Aufgaben für den erwarteten Klartraum stellen und dich generell für den Prozess motivieren. Bevor du weiterschläfst verinnerlichst du dann den Wunsch, dich nach dem Einschlafen bewusst in einem Traumzustand wiederzufinden. Hier kommt die MILD-Technik ins Spiel
MILD
MILD steht für „Mnemonic Induced Lucid Dream“, was sich in etwa mit „gedächtnis-induzierter Klartraum“ übersetzen lässt. Für diese Praktik ist es essentiell, dass du dir den bewussten Traumzustand im Vorhinein suggerierst und verinnerlichst. Du überzeugst dich sozusagen selber von der Möglichkeit des Klarträumens. Am effektivsten ist diese Überzeugungstechnik kurz vor dem wieder-Einschlafen der WBTB-Methode. Wiederholst du beispielsweise den Satz „Ich werde gleich merken, dass ich träume“ mehrere Male, steigert das die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich zu merken, dass du träumst.
Nach der Wachphase ist dein Kopf wacher und kritischer. Da du bereits einige Stunden erholsamen Schlaf hinter dir hast, steigt der Körper höchstwahrscheinlich direkt in die REM-Phase ein. Im besten Fall schaffst du es direkt, im nächsten Traum unterbewusst einen Reality Check durchzuführen oder durch die vorherige Verinnerlichung bewusst zu träumen. Wachst du nach einiger Zeit wieder auf ohne geflogen zu sein, gibt es wiederrum einige Tipps, um doch noch einen luziden Traum zu haben.
Wenn du innerhalb der REM-Phase sozusagen „erfolglos“ aufwachst, solltest du unbedingt unbewegt liegen bleiben und die Augen zulassen. Um dein Bewusstsein und die Vorstellungskraft anzuheizen, versuchst du, dich selbst vor einem Spiegel zu verbildlichen. Allein durch diesen Denkprozess steigen viele bereits in einen Klartraum ein. Sie schlafen mit dem Gedanken an eine außerkörperliche Selbstwahrnehmung wieder ein. Sollte diese Methode nicht funktionieren, gibt es die sogenannten Trennungstechniken.
Trennungstechniken
Trennungstechniken machen es sich zur Aufgabe, eine außerkörperliche Erfahrung zu suggerieren. Dabei führst du eine Bewegung lediglich in deiner Vorstellung durch, und trennst somit dein körperliches Ich von deinem geistigen Ich. Die vier gängigsten Trennungstechniken beim luziden Träumen sind: aus dem eigenen Körper herausrollen, von der Matratze hochfliegen, in die Matratze sinken oder vom Bett aufstehen – alles natürlich ohne aktive physische Bewegung. Dein Geist wird somit dazu angeregt anzuerkennen, dass die Vorstellungskraft in der Lage ist, Handlungen jenseits der Realität auszuführen und erlebbar zu machen.
Zyklustechniken
Nicht jedes Unterbewusstsein funktioniert auf die gleiche Art und Weise. Klarträumen fällt dem einen leichter, der anderen weniger leicht. Manchmal befindet man sich auch nach den Trennungstechniken noch im Wachzustand. Doch nicht verzagen! Ein paar Tipps haben wir noch im Ärmel. Zyklustechniken funktionieren ähnlich wie Trennungsmethoden, leben allerdings von Wiederholung. Auch hier führst du Dinge im Geiste aus, bis die Erfahrungen sich real anfühlen.
Die zentralen Zyklustechniken sind: Hände reiben, Fahrrad fahren, Schwimmen, um die eigene Achse drehen und Bilder aus der Ferne beobachten. Jede Handlung sollte etwa 3-5 Sekunden imaginär durchgeführt werden. Spürst du beim Schwimmen plötzlich Wasser zwischen den Händen, war die Zyklustechnik erfolgreich und du erlangst Zutritt zu einem luziden Traum. Andernfalls kannst du die Zyklen erneut ausführen.
Führen auch die Zyklustechniken nicht zum direkten Erfolgt, darfst du dich nicht entmutigen lassen. Das A und O beim luziden Träumen ist der Glaube an die Möglichkeit des luziden Träumens. Je mehr du die Thematik verinnerlichst, desto besser. Wie immer gilt: Übung macht den Meister. Selbstverständlich gibt es noch sehr viel mehr Techniken, als in diesem Artikel vorgestellt. Klarträumen ist eine sehr persönliche Erfahrung. Du solltest deshalb dein eigenes Traumverhalten, deine Vorstellungskraft und dein Bewusstsein so gut es geht erforschen, um dann das optimale individuelle Verfahren für dich festzulegen.
Weitere Tipps
Natürlich gibt es neben den beschriebenen Techniken auch noch andere Dinge, die für luzide Träume hilfreich sein können. Einige schwören auf Calea Zacatechichi, das sogenannte „Traumkraut“; ein pflanzliches Mittel, das für den Prozess des Klarträumens förderlich sein soll. Auch gesunde Ernährung kann helfen. Neben Literatur über luzide Träume oder Traumindikatoren, gibt es noch weitere „Klartraum-Gadgets“. Die „Binaural Beats“ sind eine akustische Täuschung, die vermehrt zu Förderung von Entspannung, Konzentration und Schlaf eingesetzt wird. Simplere Helferlein sind zum Beispiel Schlafmasken.
Luzides Träumen sollte keine Methode sein, der Realität generell zu entfliehen. Es ist jedoch nicht verwerflich, sich die faszinierenden Möglichkeiten des menschlichen Bewusstseins bzw. Unterbewusstseins gelegentlich zum Vorteil zu machen. Wie wir gelernt haben, kann luzides Träumen durchaus therapeutische Auswirkungen haben. Auch die generelle Auseinandersetzung mit unserem Schlaf und unseren Träumen schadet nicht. Wer Lust bekommen hat, im Schlaf mal durch Wände zu gehen oder in ein fernes Land zu reisen, der sollte sich der Sache ruhig annehmen, sich mit der Thematik weiter auseinandersetzen und natürlich diesen Artikel erneut lesen. Viel Spaß!
Fragen und Fakten
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